Sonntag, 10. November 2013

Rebecca Gablé - Das Haupt der Welt

 Es herrscht Krieg zwischen Slawen und Sachsen. Heinrich I. greift im Jahre 929 die Brandenburg an und nimmt Prinz Tugomir uns seine Schwester Dragomira gefangen. Die beiden werden als Gefangene nach Magdeburg gebracht. Während Dragomira Prinz Ottos Geliebte wird, macht sich Tugomir einen Namen als Heiler. Doch dann verliebt sich Otto in Editha, eine Prinzessin aus Wessex und Dragomira, die von Otto schwanger ist, wird in ein Kloster gebracht. Dragomira wird ihr Sohn weggenommen und ihr Bruder soll dem kleinen Wilhelm als Erzieher zur Seite stehen. Werden sich die Geschwister jemals wieder sehen? Wie wird ihrer beider Leben verlaufen?

Mit "Das Haupt der Welt" wendet sich Frau Gablé zum ersten Mal der deutschen Geschichte zu. Und das hat sie, wie immer, sehr gut gemacht. Viele historische Persönlichkeiten spielen in diesem Buch eine Rolle, nur wenige sind erfunden. Was ich sehr an Frau Gablé mag ist, dass sie geschichtliche Lücken füllt und man sich denkt:"Ja, so könnte es gewesen sein". Ich bin auch von diesem Buch wieder restlos begeistert. Wie im Flug ziehen die 861 Seiten an einem vorbei, entstehen Bilder und sogar Filme im Kopf, ist man komplett in die Welt des 10. Jahrhunderts eingetaucht.


Die historischen Fakten sind genauestens recherchiert. Die Charaktere wunderbar erarbeitet. Wenn man sich mit der Materie nicht beschäftigt, kann man wirklich nicht sagen, wer historisch belegt und wer erfunden ist. Das alles spricht für den grandiosen Schreibstil der Autorin. Man fühlt sich ihren Figuren nahe, richtig verbunden. Man leidet, man identifiziert und man freut sich mit ihnen. Man liest ein spannendes Buch und lernt auch noch eine ganze Menge dabei.


Ich bin sehr gespannt, ob es eine Fortsetzung geben, oder ob das ein Einzelband bleiben wird. Beides ist möglich. Ich vergebe für ein phantastisches Lesevergnügen volle 5 Byrons, den Favoritenstatus und eine absolute Leseempfehlung an alle, die sich nicht scheuen, so einen Schmöker zu lesen.

© Beate Senft

Jennifer Tege - Amon

 Jennifer Teege ist 38 Jahre alt, als sie in einer Leihbücherei ein Buch findet, das ihr ganzes Leben verändert. Auf dem Cover prangt das Foto ihrer Mutter und das Buch hat den Titel: "Ich muss doch meinen Vater lieben, oder?
Durch dieses Buch erfährt die Autorin, die in einer Adoptivfamilie aufwuchs, dass ihre leibliche Mutter die Tochter von Amon Göth ist. Amon Göth, der in dem Film Schindlers Liste als perverser und sadistischer Lagerkommandant dargestellt wird. Für Jennifer bricht eine Welt zusammen. Hatte sie doch in Israel studiert und ihre besten Freundinnen sind Juden. Nachfahren der Opfer ihres Großvaters. Sie will verstehen warum ihre Mutter das vor ihr geheim gehalten hat und macht sich auf den Weg in die Vergangenheit. Auf den Weg zu ihren Wurzeln.

Wie soll man so ein Buch bewerten? Wie soll man ihm mit ein paar Worten in einer Rezension gerecht werden? Gar nicht. Es fällt mir sehr schwer die richtigen Worte zu finden. Ich verstehe Jennifer die nach dieser Entdeckung durch die Hölle ging. Ich kann verstehen dass sie sehr viel Zeit brauchte, bis sie ihren Freundinnen von ihren Wurzeln erzählen konnte und ich kann verstehen, dass sie erst einmal in ein ganzes tiefes Loch fiel. Wie muss das sein wenn man ganz plötzlich erfährt, dass man die Enkelin eines Mannes ist, der über 8000 Menschen getötet hat? Wie muss es sein, wenn man erfährt, dass die so sehr geliebte Großmutter, die ihr so viel Wärme und Geborgenheit schenkte, an der Seite dieses Mannes lebte und ihn bis zu ihrem eigenen Tod geliebt hat? Wie muss es sein, wenn man hört wie abfällig sich die Großmutter über die Juden äußerte? "Die waren ja nicht wirklich Menschen wie wir. Sie waren doch so verdreckt." (Seite 110)
Wäre da nicht für jeden eine Welt zusammengebrochen? Aber Jennifer kämpft sich wieder hoch. Reist nach Krakau und besucht die Villa, in der ihre Großeltern lebten. Direkt vor der Haustür das Lager. Vom Balkon aus, schoss Göth oft wahllos auf die Insassen, aber seine Frau will nichts davon mitbekommen haben.

Ergänzt wird das Buch mit Passagen von der Journalistin Nikola Sellmair, die ihrerseits Erklärungen dazu abgibt. Die Passagen haben mir sehr geholfen Jennifer noch besser zu verstehen. "Amon" ist kein einfaches Buch. Keins das man schnell nebenher lesen kann. Aber wenn man sich darauf einlässt, kann man eine ganze Menge daraus lernen und erfahren. Man muss das gelesene verarbeiten, darüber nachdenken. Dann entfaltet es seine volle Wirkung. Auch wenn man so eine wahre Geschichte eigentlich nicht bewerten kann, vergebe ich volle 5 Byrons und hoffe, dass wir nie vergessen werden, was damals geschah und dass sich so etwas nie mehr wiederholt. Dann hat dieses Buch seine Wirkung getan.

© Beate Senft